Sonnenuntergang-Nordsee

Windstille auf der Nordsee

Bei Sonnenaufgang motoren wir bei absoluter Windstille an den friesischen Inseln entlang. Die Sonne brennt vom Himmel und wir sehen aus der Ferne etwas im Wasser treiben, das wir nicht zuordnen können.

Als wir näher kommen, sehen wir, dass eine Robbe den Kopf aus dem Wasser streckt, sich sonnen lässt und regungslos im Wasser treibt. Das haben wir beide noch nie gesehen und entdecken im Laufe des Vormittags noch weitere Robben, die es der ersten gleich tun.

Robbe die ihren Kopf aus dem Wasser streckt

Die erste Nacht hat uns erschöpft, da wir wegen unseres neuen Schlafrhythmus sehr wenig geschlafen haben. Als ich noch im Schichtbetrieb gearbeitet habe, hatte ich das selbe Problem. Etwa am dritten Tag hat sich der Körper an die neuen Schlafgewohnheiten gewöhnt. Damals habe ich das monatelang durchgehalten und mich immer wieder an die neuen Schlafenszeit gewöhnt. Jetzt bin ich froh, zu wissen, dass es nur wenige Nächte sind.

Zerstörung aus nächster Nähe

Schon bald bekommen wir Hunger und machen es uns im Cockpit gemütlich. Während wir essen, lassen wir unseren Blick über das Wasser schweifen und sehen dass viel Sand aufgewirbelt ist.

Wir beobachten einige Fischer, die neben und vor uns ihre Bahnen ziehen. Jetzt wissen wir auch, was den aufgewirbelten Sand im Wasser verursacht. Es sind die riesigen Schleppnetze, die die Boote hinter sich her ziehen. Diese pflügen über den Boden, um die Fische zu fangen, die in Grundnähe leben.

Fischerboot auf der Nordsee

Dabei werden aber nicht nur Fische gefangen, sondern auch unzählige Krabben, Muscheln und andere Meerestiere, die sich ebenfalls auf dem Grund befinden. Auch Robben und Delfine enden nicht selten als Beifang und werden beim Einholen der Netze oft schon tot über Bord geworfen.

Wenn diese Schleppnetze über den Meeresgrund pflügen, richten sie natürlich auch an der Vegetation erheblichen Schaden an. Gewächse, die verschiedenen Lebewesen als Wohnort oder Versteck dienen, werden einfach ausgerissen oder von den riesigen Gummirollen an der Öffnung der Netze überrollt.

Wir haben uns schon 2017 dazu entschieden, vegan zu leben und keine tierischen Produkte mehr zu kaufen oder zu konsumieren. Jetzt wo wir die Zerstörung, die Überfischung und Ausbeutung unserer Ozeane hautnah miterleben, wissen wir, dass wir die für uns richtige Entscheidung getroffen haben.

Segeln wie im Märchen

Auch am Nachmittag bleibt es windstill und wir motoren weiter Richtung Den Helder. Dann passieren wir eine große Windkraftanlage bei Hoek van Holland und die Schifffahrtsstraße daneben. An dieser Stelle hatten wir uns auf wesentlich mehr Schiffsverkehr eingestellt.

Ausblick von unserem Boot auf die glatte Nordsee

Wir lassen uns vor Sonnenuntergang eine halbe Stunde treiben und essen gemütlich & ohne Motorengeräusche zu Abend. Dann bricht langsam die Nacht herein und der Wind frischt so weit auf, dass wir die Segel setzen können.

Als die ersten Sterne auftauchen sehen wir zufällig ein blaues Leuchten in unseren Bugwellen. Das Plankton, das durch Bewegung zu leuchten beginnt, sieht so schön aus. Natürlich holen wir unsere Kameras heraus und versuchen dieses Spektakel festzuhalten. Die Lichtverhältnisse machen das aber unmöglich. Also genießen wir dieses Leuchten für uns, um diesen Anblick für immer in Erinnerung zu behalten. Sogar die kleinen Windwellen rund um uns leuchten Blau.

Anita legt sich um Mitternacht herum schlafen und für mich beginnt die schönste Nacht auf unserer Reise bisher. Das Vorsegel zieht uns mit konstanter Geschwindigkeit durch die sternenklare Nacht. Der Deckstrahler beleuchtet unser Segel mit einem schwachen Lichtschein, damit wir auch nachts trimmen können.

Gegenan nach Den Helder

Nach etwa drei Stunden Finsternis wird es am Horizont langsam wieder hell. Dieser wundervollen Nacht sollte der bisher unangenehmste Tag folgen. Wir nehmen mittags Kurs Richtung Den Helder und kämpfen uns mühevoll gegen den Wind. Wir beschließen, uns unter Motor gegen die Wellen zu arbeiten, weil in Küstennähe ziemlich viel los ist und wir übermüdet auch keine Lust haben, zu kreuzen.

Ein anderes Segelboot kreuzt immer wieder genau vor unserem Bug unseren Weg, dass wir schon das Gefühl bekommen, dass das absichtlich passiert. Als wir uns kurz einen Funkspruch anhören, vernehmen wir plötzlich laute Schreie und sehen ein Segelboot von der Seite auf uns zukommen. Darauf gestikuliert der Skipper wild herum und schreit uns an. Das Boot hatte wohl kurz nachdem ich unter Deck gegangen bin, wieder gewendet und unseren Kurs gekreuzt.

Nach dieser kurzen Aufregung versuchen wir dann auch, den restlichen Weg zu kreuzen. Wir freuen uns schon, den Hafen von Den Helder zu erreichen. Beim Kreuzen liegt unsere Ylvi wesentlich ruhiger im Wasser, als unter Motor gegen die Wellen. Wir nehmen uns vor, ab jetzt wenn möglich zu kreuzen, anstatt gegen den Wind zu motoren.

Kein Platz und viel Wind

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir endlich Den Helder. Der Wind hat inzwischen nochmal ordentlich aufgefrischt als wir die Hafeneinfahrt erreichen. Im hinteren Eck entdecken wir noch einen freien Platz, der allerdings kaum Bewegungsspielraum zulässt. Da wir mit unserem Langkieler nicht besonders wendig sind, steigt die Aufregung.

Ich ziele auf den freien Platz am Steg. Der stramme Wind genau von der Backbordseite hat allerdings andere Pläne und drückt uns komplett zur Seite, sodass wir den Anlegeversuch abbrechen müssen, weil wir sonst gegen den Stahlpfeiler an der Seite oder gegen ein anderes Boot gedrückt werden. Dabei gibt es nicht mal genug Platz, um umzudrehen. Gerade so schaffen wir es wieder in die Mitte des Hafens. Zum Glück ohne mit einem Pfahl oder einem anderen Boot zu kollidieren.

Jetzt versucht uns der Wind nochmal mit voller Kraft quer durch den engen Hafen zu treiben. Dabei kommt der Steg mit den Booten auf der anderen Seite gefährlich nahe. Ich beschließe, den Hafen wieder durch die schmale Einfahrt zu verlassen, damit wir vor dem Hafen die Situation in Ruhe besprechen können.

Da uns die Enge des Hafens in Verbindung mit dem starken Seitenwind und unserem Langkieler zu viel ist, beschließen wir, eine weitere Nacht durchzufahren und den nächsten größeren Hafen in Ijmuiden in den Niederlanden anzusteuern.

Noch einmal durch die Nacht

Gleichzeitig mit dieser Entscheidung machen sich unangenehme Gefühle in mir breit. Ich bin wütend auf mich selbst und auf die Tatsache, dass wir schon voller Vorfreude und in der Hoffnung waren, eine ruhige Nacht durchschlafen zu können, jetzt aber doch nochmal durchbeißen müssen. Anita beruhigt mich mit den Worten, dass wir unser Bestes gegeben und die Situation für die Umstände sehr gut und vernünftig gemeistert haben.

Das sind genau die Worte, die ich in diesem Moment gebraucht habe. Wir machen uns also auf den Weg zum nächsten Hafen, den wir in den Morgenstunden des nächsten Tages erreichen sollten.

In diesem Hafen müssen wir unbedingt einen Platz finden, weil am nächsten Abend eine Gewitterfront durchziehen soll. Da der Hafen von Ijmuiden größer ist und wir voraussichtlich vormittags ankommen werden, sind wir guter Dinge.

Eine weitere Nacht beginnt.

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Wir sind Anita & Roman und haben 2021 unser Haus verkauft, um auf ein Segelboot zu ziehen.

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