Ylvi in der Schleuse in Kiel

Mit dem Segelboot durch den Nord-Ostsee-Kanal

Ich wache heute morgen mit Schmerzen auf. Ich hab nämlich gestern scheinbar eine falsche Bewegung gemacht und seither sticht es in meiner Hüfte. Auch bei fast jeder Bewegung im Liegen tut’s ganz schrecklich weg. Ich bewege mich aus dem Bett, um zu sehen, ob ich überhaupt aufsteigen kann. Nach einigen vorsichtigen Schritten merke ich, dass ich keine Schmerzen habe. Ich bin weiterhin ganz vorsichtig und probiere einige Bewegungen aus. Nichts. Alles gut. Roman und ich sind erleichtert, denn wir haben große Pläne für heute.

Jetzt geht’s los!

Um 7.30 Uhr holen wir den Anker hoch. Als der Anker oben ist, gibt mir Roman das Zeichen, dass ich losfahren kann. Er kommt sichtlich genervt zurück zu mir ins Cockpit. Seit wir wieder die 10mm-Ankerkette am Anker montiert haben, läuft sie nicht mehr in den Ankerkasten rein. Und Roman muss die Kette immer per Hand hochholen. Das müssen wir auf alle Fälle bald noch optimieren.

Wir steuern die Wartezone vor dem Kielkanal an, legen in der Nähe des dortigen Leuchtturms an und suchen den Automaten, bei dem wir die Gebühren für die Benützung des Kanals bezahlen können. Wir gehen etwa 300 Meter die Straße entlang und sehen einen kleineren Anlegesteg. Uns ist klar, dass wir offensichtlich im falschen Bereich angelegt haben. Ups… Wir gehen weiter und finden den Automaten. Leider ist er außer Betrieb, also können wir erst nach der Schleuse bezahlen. Jetzt schnell wieder zurück zu unserer Ylvi.

Entspannter als gedacht

Als wir ablegen, um vor zur Schleuse zu fahren, sehen wir auch schon das weiße Licht und hören direkt im Funk, dass Sportboote, also auch wir, jetzt einfahren dürfen. Während Roman steuert, bereite ich die Fender & Festmacher zum Anlegen in der Schleuse vor. Aus der ausführlichen Anleitung von Blauwasser.de wissen wir, dass wir die Fender ganz tief hängen müssen. Ganz schön aufregend, das erste Mal Schleusen. Als wir drinnen sind, machen die Schleusentore hinter uns auch schon wieder zu. Wir legen Steuerbord an und stehen mit unserer Ylvi ganz alleine in der Schleuse.

Ylvi in der Schleuse in Kiel

Keine 5 Minuten später macht das Tor vor uns auch schon wieder auf. Wir holen die Festmacher wieder rein und fahren auch schon wieder weiter. Wir müssen noch die Kanalgebühren bezahlen, also fahren wir auf die nördliche Seite, und legen noch ein 3. Mal an. Eine schöne Übung für uns.

Roman geht von Bord, um am Automaten am Steg die Gebühr zu bezahlen. Er bezahlt 18 € für unser knapp 12 Meter langes Boot. Mit dem Ticket dürfen wir uns 3 Tage lang im Kanal aufhalten.

Bezahlautomat im Kielkanal

50 Meilen Motorfahrt liegen vor uns

Die ersten Meilen ist überhaupt nichts los. Wir fahren also ganz gemütlich auf der rechten Seite des Kanals. Auch die Sonne kommt immer mehr raus. Zum Glück haben wir uns entschieden, heute zu fahren und sind nicht einen Tag früher los. Denn gestern war es sehr ungemütlich – windig & regnerisch.

Wir fahren mit etwa 4 Knoten bei 1400 Umdrehungen – unser Motor hat übrigens 40 PS und unser Boot wiegt mehr als 10 Tonnen. Nach einigen Meilen sehen wir den ersten Frachter hinter uns. Die Nervosität steigt. Denn wir wissen nicht, wie sich unser Boot verhält, wenn wir von so einem riesigen Frachter überholt werden. Wir halten uns schön auf der rechten Seite, aber natürlich auch nicht zu weit. Er überholt uns. Als er an uns vorbei ist kommen ein paar leichte Wellen. Und das war‘s auch schon.

riesige Tanker überholen uns im Kielkanal

So geht‘s einige Male. Auch ein paar Motorboote überholen uns. Wir wechseln uns am Steuer ab und holen nach etwa einer Stunde Fahrt im Kanal den Autopilot hoch. Wir müssen aber natürlich trotzdem immer den Kurs berichtigen, weil der Kielkanal keine gerade Strecke ist. Aber immerhin müssen wir nicht mehr ständig selbst steuern.

unser Autopilot an der Pinne

Wir vertreiben uns die Zeit mit essen, kochen, lesen und schreiben. Roman probiert noch etwas an der Ankerwinde, was aber leider nicht so klappt, wie er es sich vorstellt.

Gar nicht gut…

Nach etwa 2/3 der Strecke hören wir ein leichtes Quietschen. Roman sieht sofort im Motorraum nach. Aber es kommt nicht aus dem Motorraum. Wir sehen unter die Abdeckung, unter der sich die Welle befindet. Aber auch hier kommt das Geräusch nicht her. Es dürfte von Draußen kommen, vom Propeller. Wir probieren es mal mit weniger Fahrt und langsam wieder mehr Fahrt. Das Quietschen ist aber weiterhin zu hören. Auch mit dem Rückwärtsgang probieren wir es. Aber auch das hilft nicht. Wir fahren vorsichtig wieder vorwärts.

Das Geräusch wird wieder leiser. Nach wenigen Minuten ist es weg. Wir wissen nicht was es war. Vielleicht hat sich wo Schmutz verfangen? Es ist ein komisches Gefühl, nicht zu wissen, wo dieses Geräusch hergekommen ist. Auf jeden Fall wollen wir das, sobald wir wieder in sauberem Gewässer sind, kontrollieren.

Fast geschafft!

Die restlichen Meilen passiert nichts Spannendes mehr. Als wir die Schleuse in Brunsbüttel sehen, spüren wir ein paar Regentropfen. Der Wind frischt etwas auf. Mit dem Fernglas sehen wir den Hafen von Brunsbüttel. Sieht so aus, als wäre er komplett voll. Wir fahren noch weiter nach vor, um zu sehen, ob noch ein Platz frei ist. Sieht schlecht aus.

Also fahren wir zurück. Zum Glück ist nur wenige 100 Meter vom Hafen ein Anlegesteg, an dem bereits zwei Boote liegen. Wir entscheiden uns, dort festzumachen. Es sind riesige Poller mit etwa 50cm Durchmesser. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Eine Frau hilft uns und nimmt unsere Seile an. Wir machen erst einmal provisorisch fest. Danach wechseln wir die Seile durch längere aus, an denen wir unsere Ylvi nochmal richtig fest machen.

Was können wir nächstes Mal besser machen?

Dieses Anlegemanöver ist uns nicht so gut gelungen, wie die drei davor. Wir reflektieren, was wir beim nächsten Mal anders und besser machen könnten. Wir werden sehen, dass wir in Zukunft immer alle Festmacher bereit haben. Die langen, die wir normalerweise als Vor- und Achterspring verwenden. Und auch die kurzen, die einen Ruckdämpfer haben und die das Liegen im Hafen um einiges angenehmer machen, die aber den Nachteil haben, dass sie für manche Gegebenheiten zu kurz sind.

Außerdem haben wir wieder einmal gemerkt, dass uns eine Mittelklampe fehlt, an der wir Vor- und Achterspring festmachen können. Nachdem wir ordentlich festgemacht haben, gehen wir in den Hafen und gönnen uns eine erfrischende Dusche.

Eine unruhige Nacht liegt vor uns…

Gegen 23 Uhr schaffen wir es endlich ins Bett. Wenige Minuten später springen wir schon wieder aus dem Bett. Der Fender zwischen Boot und Poller ist durch die Wellen, die von anderen Schiffen, die an uns vorbeifahren entstehen, verrutscht. Der Poller liegt nämlich zwischen uns und dem Steg, sodass uns die Fender nicht von der Berührung des Stegs, sondern nur von diesem einen riesigen Poller schützen müssen. Roman bringt jetzt einen Fender quer am Poller an und noch zwei auf jeder Seite davon.

Die restliche Nacht ist durch die ständigen Wellen, nicht nur wegen den Bewegungen unruhig, sondern auch laut, weil die Wellen heftig gegen unser Heck schlagen. Gefühlt ist unser Körper die ganze Nacht auf Rufbereitschaft. Und auch gegen 3 Uhr nachts springen wir nochmal auf, weil es sich anfühlt, als würden wir den Poller mit dem Boot berühren. Fehlalarm. Die Fender hängen genau so, wie sie sollen.

Am nächsten Morgen sind wir total müde und erschöpft. Wir machen uns auf den Weg in die Innenstadt von Brunnsbüttel, um dort endlich die für unsere Ankerwinde nicht passende Kettennuss zurückzuschicken und ein paar Einkäufe zu erledigen.

Sonst machen wir nicht heute mehr viel und gehen früh ins Bett.

Endlich raus aus dem Kanal!

Nach einer weiteren nicht wirklich erholsamen Nacht schaffen wir es gegen 7 Uhr aus dem Bett. Wir wollen heute zwar weiterfahren. Haben aber keinen Stress, weil wir sowieso auf Hochwasser warten müssen, um von der Strömung, die dann mit uns hinaus Richtung Nordsee fließt, zu profitieren.

Gegen 8.50 Uhr legen wir von unserem Steg ab und fahren auf die gegenüberliegende Seite des Nord-Ostsee-Kanals. Wir geben die Hälfte der Fender auf unsere Backbord-Seite und bereiten alle Festmacher auf unserer linken Seite vor, weil wir im Funk gehört haben, dass Sportboote Backbord anlegen. Roman steuert unser Boot so, dass wir im Wartebereich bleiben. Denn leider gibt es hier keine Möglichkeit zum Anlegen.

Im Funk hören wir immer wieder, dass die Sportboote bitte in den Wartebereich fahren sollen. Wir sind verunsichert, schauen nochmal in den Unterlagen, wo der Wartebereich eingezeichnet ist. Laut dieser Zeichnung stehen wir richtig. Ein anderes Boot fährt im Mittelbereich des Kanals vor und zurück. Wir denken also, dass nicht wir gemeint sind.

Wir treiben etwa 30 Minuten im Wartebereich herum und beobachten, was um uns herum passiert. Lady Claudia, ein großer Frachter fährt in die Schleuse ein. Wir hören im Funk: “Die Sportboote dürfen jetzt einfahren, wenn sie es schaffen.“

Und rein in die Schleuse…

Wir sind aufgeregt. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir tatsächlich Backbord anlegen. Denn es sieht so aus, als würde Lady Claudia links stehen. Als wir endlich in die Schleuse sehen ist klar, wir müssen rechts anlegen. Also wechsle ich alle Festmacher schnell auf die andere Seite. Die Fender haben wir zum Glück auf beide Seiten verteilt.

Das wird eng.

Das andere Segelboot fährt vor uns in die Schleuse ein. Wir sehen, dass es vom Schraubenwasser in Richtung Schleusenwand gedrückt wird. Roman gibt mehr Schub, damit wir schnell durch diesen Bereich kommen.

Wir schaffen es ohne Probleme durch‘s Schraubenwasser und fahren seitlich von Lady Claudia noch ein Stück nach vorne. Roman bremst auf, so dass wir stehen bleiben und mit Vorder- und Achterleine festmachen können. Zusätzlich geben wir noch eine Achterspring, damit wir mit dem Heck nicht zum Steg gedrückt werden können.

Kurz nachdem wir richtig fest gemacht haben, können wir auch schon wieder los. Die Schleuse öffnet sich und das Boot vor uns fährt bereits raus. Schnell machen auch wir alle Leinen wieder los und legen ab, um vor Lady Claudia die Schleuse zu verlassen.

Geschafft!

Der Nord-Ostsee-Kanal und seine beiden Schleusen liegen hinter uns. Umso weiter wir hinauskommen, umso mehr nimmt die Strömung zu und wir schaffen 6 Knoten. Wir queren die Elbe, so früh wie möglich und fahren unter Motor an ihrem südlichen Ufer entlang.

Zum ersten Mal im Hafen

Etwa 4 Stunden später fahren wir in den SVC-Yachthafen ein. Wir drehen eine Runde im Vorhafen, bis uns auch schon der Hafenmeister anruft und uns einen Stellplatz zuweist. Meine Handynummer hat er, weil ich gestern schon nachgefragt habe, ob sie denn einen Platz für uns frei haben und wir ein paar Tage im Hafen verbringen können. Und da sich hier nicht so viele Boote unter österreichischer Flagge herumtreiben, hat er uns direkt erkannt. Schon praktisch.

Unser Platz liegt ganz am Rand und Roman startet unser erstes richtiges Hafenmanöver. Der Hafenmeister kommt auch direkt mit seinem Fahrrad zu uns gefahren und hilft uns unser Boot festzumachen. Wir stehen zu weit vorne, so dass unser Anker sehr weit über den Steg ragt. Wir müssen sehen, dass wir unser Boot einen Meter zurück bekommen. Aber wir stehen und sind fest.

Wir verholen Ylvi also noch etwas weiter zurück. Beim Festmachen der Leinen müssen wir wieder feststellen, dass uns auch hier wieder diese eine Mittelklampe auf jeder Seite fehlt.

Wir hätten wohl mal lieber auf Peter, unseren Bootsnachbarn in der Werft hören und diese zwei Klampen direkt noch montieren sollen. Aber ganz ehrlich, wir wollten endlich los. Am Boot gibt‘s ja sowieso immer etwas zu tun und zu optimieren und das sind wir jetzt in der Praxis dabei herauszufinden, was genau das für uns ist.

Abwarten in Cuxhaven

Hier bleiben wir vorerst einige Tage, um auf ein gutes Wetterfenster für die Nordsee zu warten. Mehr zu unserem Aufenthalt in Cuxhaven erzählen wir dir in einem anderen Blogbeitrag.

Falls du noch Fragen hast zur Fahrt durch den Kielkanal, dann schreib sie uns gerne in die Kommentare.

Sonnenuntergang in Cuxhaven

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Wir sind Anita & Roman und haben 2021 unser Haus verkauft, um auf ein Segelboot zu ziehen.

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