Das Ankern gehört für uns zu den schönsten Erfahrungen an Bord unserer Ylvi. Für uns ist es ein wichtiger Teil unseres Segellebens geworden, denn wir verbringen den Großteil unserer Zeit nicht in Häfen, sondern vor Anker.
Der wahre Luxus beim Ankern ist das Vertrauen in unsere Ausrüstung. Denn nur mit einem zuverlässigen Ankersystem können wir nachts meist ruhig schlafen, auch wenn der Wind auffrischt oder die Wellen höher werden.
In den letzten drei Jahren haben wir viel über unsere Ankerausrüstung gelernt. In diesem Beitrag teilen wir mit euch, was sich bei unserem Ankersystem bewährt hat und welche Entscheidungen wir auch heute noch – nach beinahe 1000 Tagen vor Anker – genauso treffen würden.
Hinweis:
Wir beschreiben hier unsere Erfahrungen, die sich auf unser Boot beziehen. Wir haben ein Boot aus Aluminium mit Langkiel, das zu unserem Vorteil am Ankerplatz sehr stabil im Wasser liegt.
Inhaltsverzeichnis
Unser Anker
Wir haben unser Boot gemeinsam mit einem 30kg-Bügelanker gekauft. Auch erfahrene Segler*innen wie Heide und Erich Wilts hatten einen Bügelanker an Bord. Wir haben deren Ankergewicht auf unsere Bootsgröße heruntergerechnet. Pro Tonne Verdrängung hatten sie auf ihrer Freydis III 1,85kg Ankergewicht.
Unser Boot haben wir damals auf max. 12 Tonnen geschätzt. Somit kommen wir auf ein Ankergewicht von 22,2 kg. Damit fühlen wir uns mit unserem Anker von Beginn gut aufgestellt.
Ein Rocna-Anker gilt als noch sicherer als ein Bügelanker. Dennoch würden wir auch heute wieder einen Bügelanker kaufen. Denn die Preise für einen Rocna-Anker sind unverschämt. Ein Rocna-Anker mit 33kg würde uns 1.150 € kosten. Ein Bügelanker mit 42kg hingegen nur 450 €. Also weniger als die Hälfte für fast 10kg mehr Gewicht.
Außerdem sind wir mit unserem Bügelanker in den 3 Jahren, die wir zum Großteil vor Anker verbracht haben, sehr zufrieden. Die wenigen Male, als der Anker nicht gehalten hat, war der schlechte – meist felsige – Ankergrund die Ursache.
Ankerwirbel vs. Schäkel
Unseren Anker haben wir über 2 Schäkel mit der Ankerkette verbunden. Es gibt auch Ankerwirbel, die man für diese Verbindung nutzen könnte. Diese haben den Vorteil, dass sich die Ankerkette nicht eindreht, wenn man längere Zeit am gleichen Ankerplatz liegt und das Boot sich mehrere Male um den Anker dreht.
Allerdings haben wir hier auch schon von Erfahrungen gehört, dass dieser Wirbel gebrochen ist und dadurch der Anker verloren ging. Wir bleiben also bei unseren bewährten Schäkeln und kontrollieren diese in regelmäßigen Abständen und tauschen sie hin und wieder aus.
Wir verwenden für die Verbindung von Anker und Kette ausschließlich Schäkel mit Innensechskant. Um ein Aufdrehen der Schäkel zu verhindern, kleben wir die Schrauben mit Gewindesicherung fest und schlagen zusätzlich mindestens 3 Kerben in den Übergang zwischen Schraube und Schäkel (siehe Foto).
Bild folgt, sobald der Anker wieder oben ist 😉
Unsere Ankerkette
Vom Voreigner war auf unserem Segelboot eine 40m-Edelstahlkette (8mm) drauf. Wir wussten von Beginn an, dass wir definitiv mehr Ankerkette brauchen, weil wir eben so viel wie möglich ankern woll(t)en.
Also haben wir überlegt und recherchiert, wie viele Meter, welcher Durchmesser und natürlich auch welches Material wir für eine neue Kette haben möchten.
Länge
Die Kettenlänge war schnell entschieden. Es sollten 100 Meter sein. Auch hier orientierten wir uns an anderen Segler*innen, die viel vor Anker lagen. Je mehr Kette, desto flacher zieht das Boot am Anker und damit hält der Anker auch bei starkem Wind und Wellengang sicherer.
Durchmesser
Unser Motto ist schon immer, besser zu viel, als zu wenig. Also haben wir uns für 10mm statt der bisher vorhandenen 8mm entschieden.
Beim ersten Ankermanöver in Dänemark mussten wir direkt feststellen, dass die Kettennuss unserer Ankerwinde nicht für 10mm passte. Also mussten wir diese austauschen.
Mit der Entscheidung, auf 10mm zu wechseln, sind wir sehr zufrieden. Denn auch das trägt dazu bei, dass unser Anker sicherer hält. Auch, wenn es dadurch um einiges schwerer ist, die Kette hochzuholen, denn eine elektrische Ankerwinde besitzt Ylvi nicht.
Material
Beim Material haben wir länger hin und her überlegt. Lieber eine teure Kette aus Edelstahl oder eine günstigere aus verzinktem Stahl? Der Preis war für uns das ausschlaggebende Argument. Denn eine Edelstahl-Kette war mindestens doppelt so teuer.
Mittlerweile wissen wir auch, dass Edelstahl nicht gleich Edelstahl ist. Eine hochwertige Ankerkette aus Edelstahl, auf die man sich wirklich verlassen kann, soll angeblich 5-8mal so viel, wie eine verzinkte Ankerkette kosten. Denn beim Edelstahl ist Lochkorrosion ein großes Problem. Dadurch könnte eine minderwertige Kette plötzlich brechen – wahrscheinlich nicht zum günstigsten Zeitpunkt.
So haben wir uns für eine 10mm-Ankerkette mit 100 Meter Länge aus verzinktem Stahl entschieden. 2022 lag der Preis dafür bei vergleichsweise günstigen 1000 €. Heute würden wir für die gleiche Kette bereits 1.400 € bezahlen.
Einmal jährlich drehen wir die Ankerkette um, um sie gleichmäßiger abzunutzen.
Ankerkralle
Wir verwenden von Beginn an eine Ankerkralle. Denn diese verhindert eine Überlastung der Ankerwinde, wenn das Schiff bei Wind oder Welle an der Kette zerrt.
Eine Ankerkralle war beim Kauf unseres Boots bereits an Bord. Jedoch hatten wir mit dieser Ankerkralle oft Probleme beim Lösen von der Kette. Vor allem, wenn Wind und Welle ordentlich an der Kette gezerrt haben, war die Ankerkralle fast nicht mehr von der Kette zu bekommen.
Deshalb haben wir uns in Portugal für ein anderes Modell entschieden. Diese Ankerkralle hält genauso gut, lässt sich auch nach Sturm mit zwei Fingern wieder von der Kette lösen.
Immer wieder sehen wir, dass entweder keine Ankerkralle oder sie irrtümlich falsch verwendet wird. Auch wir wussten am Anfang nicht, wie man sie richtig verwendet. Deshalb wollen wir das hier kurz erklären:
Bei Verwendung einer Ankerkralle sollte die Ankerkette zwischen Ankerwinde und Ankerkralle immer durchhängen und die Belastung auf den Seilen der montierten Ankerkralle liegen.
Ankerwinde
Auch unsere Ankerwinde war bereits beim Kauf an Bord. Sie lässt sich nicht, wie auf den meisten Booten, elektrisch bedienen, sondern wir müssen den Anker immer per Hand hochholen. Besonders bei viel Wind und Welle ist das sehr kraftaufwändig.
Außerdem verliert unsere Ankerwinde seit Beginn unserer Reise Öl. Früher oder später wird eine neue fällig werden und dann werden wir uns wahrscheinlich für eine elektrische entscheiden.
Vorteil der manuellen Ankerwinde ist definitiv, dass wir vorne keine zusätzliche Stromversorgung benötigen. Und damit eine Sache weniger kaputtgehen kann.
Unser Fazit
Nach drei Jahren und unzähligen Ankermanövern – zum Großteil an der Atlantikküste – können wir sagen: Mit unserem Ankersystem haben wir eine gute Wahl getroffen. Unser 30kg-Bügelanker hat uns stets treue Dienste geleistet, und die Entscheidung für eine längere und dickere Kette hat sich mehr als einmal ausgezahlt – besonders in Nächten mit frischem Wind.
Auch wenn das manuelle Einholen bei starkem Wind manchmal herausfordernd ist, gibt uns das gesamte System die nötige Sicherheit, um auch bei Sturm (entspannt) vor Anker zu liegen.
Wenn ihr uns fragt, was für ein zuverlässiges Ankersystem wirklich wichtig ist, antworten wir immer: Lieber etwas mehr als zu wenig – beim Gewicht des Ankers, beim Durchmesser und der Länger der Kette.
Die regelmäßige Kontrolle der Schäkel, das Umdrehen der Kette und ein prüfender Blick auf den Verschleiß der gesamten Ausrüstung gehören für uns zur Routine. Dafür belohnt uns unser zuverlässiges Ankersystem mit dem guten Gefühl, auch bei auffrischendem Wind sicher in einer schönen Bucht liegen zu können – und das ist unbezahlbar.